Home
       Philosophie
       Die Leistungen
       Pädagogik
       Gästebuch
       Fotoalbum
       Publikationen
       Gedichte
       Impressum

 

 

Gedichte


Veröffentlicht in: Das Gedicht lebt! Millenniums-Anthologie zeitgenösssicher Dichter und Dichterinnen des 3. Jahrtausends, R. G. Fischer-Verlag, edition fischer, Frankfurt, 2001.


Aperçu:


Gedichte überwinden den Geist-Körper Dualismus, denn sie machen den Geist spürbar.

Klaus A. Zimmermann

 


 

Zeitgeist

Freitags noch

Gehen sie ins politische Kabarett,

Verständnisvoll zu applaudieren

Der intelligenten Kritik am System.

 

Am Sonntag aber

Gehen sie wieder zur Urne,

Brav anzukreuzen,

Die sie freitags gar tierisch belachten.

 

 

Der Ball

Die Kinder spielen
Einen bunten Ball
Auf dem Hofe
Solange,
Bis der Ball
In einen Rosenstrauch fällt.

Ihr Spielzeug zu holen,
Geben die Kinder Strauchdiebe vor,
Stechen und ritzen dabei
Die zarte Haut
An den spitzen Stacheln
Der Rose.

Achtlos spielen Sie weiter.
Schmerz vergeht bald,
Wunden verheilen.
Doch bleiben Narben zurück.

Sie haben die Rose
Längst schon vergessen,
Die Blüten nicht sehend

 


Das Herz

Ein Herz nur,
Sonst nichts,
Treibt blaue Blätter
Hinaus in die dunkle Nacht.

Dort, wo der Weg
An tiefen Gräben endet,
Steht sein Schlag still,
Von Entsetzen gelähmt.

Dann geht das Herz weiter,
Vorbei an den Leichen,
Treibt zuckend der Sonne
Und dem schaumverschlungenen Meer zu.

 

Rosen

Meine Rose ist ein Handschuh,
Der hängt rot an dürrem Strauch
Längst verwelkten Ginsters,
Den nur der Frost noch
Im Nacken steif hält.

Im Sommer blühen
Wieder andere Rosen,
Wie eine Sonne.

Winters aber, ich seh' es kommen,
Ist es wieder die rote Wolle der Leichen,
Die sich räkelt wie Blut
Um den nämlichen Strauch.


Betrachtung

Meist fängt es gut an.
Doch dann, übers Spülwasser gebeugt,
Geht man nicht mehr gerne spazieren.
Trinkt rasch sein Bier aus
In zwei Zügen
Bis Stuttgart,
Im Ohr das Tacktack
Der rotierenden Räder.

 

Zwei Fragen

Wer
Stellt meine Stühle auf den Tisch,
Räumt mich auf,
Putzt die Aschenbecher sauber
Für den Schmutz des kommenden Tages?

Wer
Flicht mir Kränze ums Haupthaar
Aus dem Schaum schalen Bieres,
Welches ich heute getrunken,
Für meine vielen Tode im Morgen?

 

Wintermärchen

Wintertag, so klirr und klar:
Seine Stunden sind die meinen.
Kindheit Glück, das einmal war,
Will im Blute keimen.

Weither schweben Schmetterlinge,
Schenken Bergen Schönheit viel.
Kleine, weißkristall'ne Dinge
Tanzen tolles Wirbelspiel.

Weißer Morgen schenkt uns Blüten,
Decken harte Erde zu,
Um das Leben zu behüten
Mit der reinen Teppichruh'.

Wohin gleiten Deine Träume?
Ziehen mit den Wolken fort,
Sonne durchglüht kahle Bäume,
Hin zu einem andern Ort.

Wunderwelt aus Eis und Schnee,
Wo die Rehe glücklich sind!
Stets bin in Deiner Näh',
Denn nur hier noch bin ich Kind.

 

Die Zwiebel

Hängt am Fenster eine Zwiebel,
Schräg im Schnittpunkt zweier Giebel.
Was tut sie dort, die Zwiebel,
So bloß aus Jux, an diesem Ort?

Sie hängt tatsächlich da so kühn,
Die auch schon bess're Tage sah.
Und Ihre Keime sprießen grün,
Das Innere indes - verdorrt.

Sagt nicht, das sei doch Mord
An einer armen Zwiebel,
Die nicht lang genug gelebt
Und auch nicht viel verbrochen!

Ich hab' sie bloß dahin gehängt,
Weil sie so scharf gerochen,
Und nicht, wie mancher Klugkopf denkt,
Zur Schönheit dieser Giebel.

 


Ein Freund

Ein Freund ist mir geblieben
Unter allen.

Er fragt nicht mehr
Nach Sinn und Leben.

Hat aufgegeben,
War zu schwach,

Ein Feigling,
Sagt er selbst.

Obwohl, im Stillen noch immer
Hört er auf Klopfzeichen von draußen.

Manchmal will er dann wissen,
Wie weit uns're Sache gekommen.

 

Pop Art

Versteht die Gesetze!
Tut den Quantensprung der Neuronen,
Kommt nahe der Idee der Welt
An sich!
Befreit sie von den Schnörkeln
Gestörter Materie,
Biegt getrost die Gestelle aus Draht!

Beraubt nur die Rose
Sämtlicher Blütenblätter,
Der Krone.
Preist die pure Idee.                                                                                                                                                                    Glücklich seid nun,                                                                                                                                                                       Lernt die Schönheit des Mülls,                                                                                                                                                     Versteht!



Einverstanden

Noch lebe ich,
Erkläre mich einverstanden.

Darauf die Stempel "Entwertet!",
"Doppel der Anschrift bitte obenauf!"
Bis die Schornsteine rauchen
Von zerschnippelten Paketkarten
Barmherziger Gaben.

Verbrennt getrost verräterisches Zelluloid
Mit Mikronengesichtern.
Die stinkende Rauchsäule
Wird am glühenden Mittagshimmel
Sich vor dem Abend verneigen in Ehrfurcht.

Legt die Gewissen zur Ruhe,
Wohlig auf die schmierigen Kissen
Diensttuender Dirnen!
Wollt Ihr den totalen Krieg?
Singen die Rattenfänger.
Persönlich legt der Kuckuck
Seine Brut ins fremde Nest.

Was macht Euch sicher,
Daß sie funktionieren,
Die Hypophysen der Elektronengehirne?
Ich, jedenfalls, erkläre mich  Einverstanden                                                                                                                                                                           Zu leben.                                                                                                                                                                                    Vielleicht.

 

 

Traurigkeit

Es gibt verschiedene Traurigkeiten.

Die der hübschen Frauen ist,
Das sie es gar nicht suchen.

Die der Dicher das positive Recht,
Das seine Menschen frißt.

Polizisten, Soldaten wundern sich nicht
Über die Streifen an den Jacken.

Denn niemand sagte, sie sollen sich wundern
Über die Epauletten der Ehre.

Meine Traurigkeit ist,
Alles wiederzufinden, was verlegt war.

Die des rasenden D-Zugs die lange Kurve
Im nie endenwollenden Tunnel.

Und des peitschenschwingenden Zirkusdirektors
Das mahlende Rondell der Vernunft.


Nobilissima Visione

Spitz und steil
Ragen Kirchtürme
In den Himmel
Zur Ehre Gottes.

Die Antennen und Schüsseln
Für die Empfangsgeräte
Auf den Dächern der Menschen,
Rohbauten künftiger Siedlung,
Telefonmasten und Leitungen über Land,
Schornsteine und Brücken
Zwischen summenden Drähten,
Dämme und Mauern gegen die Natur.
Zur Ehre der Menschen.

Raketen recken
Ihre roten Nasen gen Himmel
Auf den Stationen des Todes
Zur Ehre des Menschen.

 

Sündenfall

Ausgetrieben bereits
Am vierten Tage.

Schnee war gefallen
Über Nacht.

Die Luft blau und kalt.
Blumen und Sterne eingefroren.

Am folgenden Tag
Eisblumen über Nacht.

 

Ein Stern

Ein Stern fällt zur Welt
Vielleicht Glut einer Zigarette,
Lächeln des Mondkalbs,
Blitzendes Licht
Im Wassertropfen.
Staubkorn
Auf einer alten Gitarre,
Wodurch die Saiten erzittern.
Bierschaum zerreißt.
Dann wieder Asche und Rauch.
Ein Stern fiel zur Welt.


Hoffnung

Zitternd zerklang das zerreißende Tremolo
Des unglückselig Geliebten.
Sein Herz verströmte giftige Schlangen.
Nächtige Schatten huschten vorüber,
Bestrichen die Türen mit dem Blute
Der neuen Erstgeborenen,
Denen die Foeten ihrerseits starben.

Es waren gekaufte Gesellen.
Auf sie hetzt er blutige Hunde.

Dann verströmt er im Lichte
Empor, höher hinaus
Zu den fernen, weißen Gestaden,
Wo sie, Schaumspiel der Wellen,
Sprechen die Sprache des ewigen Meeres.
Treibgut versinkt noch
Im fernen Violett bergender Dämm'rung.


Schwanengesang

Schauerlich singend stirbt einsam der Schwan.
Sein Tod wird gepriesen.
Wie aber, wenn wir die Stimme gar nicht verstehen?
Wenn er nicht singt, sondern schreit,
Jammert angesichts leidenden Elends der Welten?

Traurig für das Tier, diese Welt zu verlassen -
Sanfte Seen, Wiesen so weit und Täler so tief,
Wälder, die Halme der Gräser, aufgehende Sonne,
Panstage und lautlose Nächte im undurchsichtigen Schilfrohr.
So klein, doch im Gleichklang mit dem universalen Geiste,
Gehorsam wie Echo.

Was ist von unserer neuen Welt in den Händen geblieben?
Was antworten wir den Vätern, wenn sie fragen
Nach dem Erbe des perikleischen Zeitalters?
Wir hätten alles vertan und verspielt?
Herzen schlagen so rasend, sind aber leer.
Friede ist nicht bei der ärmsten Kreatur.
Erloschen ist Sehnsucht nach Heimkehr.
Einsamer als der Schwan sind wir am Ende.

Doch wer verzeiht? Wer bespuckt die Hohenpriester,
Zieht den Papst in die Gosse?
Eitel und pflichtvergessen gesteuert empfängt er
Die Massenmörder, wenn sie nur tragen den goldenen Stern,
Die Leopardenkappe, und entläßt sie mit heiligem Segen!
Auf dem Petersplatz Reisende mit gezückter Optik
Klatschen entrückt und entstellt dem weinerlichen Papste.
Jesus Christ Superstar - darüber weint er nicht-
Er weint, weil sich ungehorsame Priester verheiraten,
Es Gefängnisse gibt, Weltraumflüge
Die leibhaftige Fahrt Mariä gen Himmel ersetzen,
Schulmädchen ihre Leibesfrucht töten.

Und der Greis da oben, wie alt mag er sein,                                                                                                                                  Sieht er das nicht, zu werfen die donnernden Blitze                                                                                                                        Auf alle die Frevler?

Fällt niemand mehr mit mystischen Schauer auf die Knie?
Er hat nicht mehr Blitz und Bannstrahl zur Hand!
Ist denn der And' re schon da,
Der Antichrist, der wüste Zerstörer,
Den Paulus als den Gesetzlosen ahnt,
Die Lüge, die Großes zu sinnen vorgibt,
Aber Verderben trägt?

Statt zu glauben,
Zahlen wir willig die Rückversich'rungspolice,
Zu überrunden den Antichrist!
Halten in blutigen Händen Scherben der Ewigkeit,
Das Rasen der Uhr, zerrinnende Zeit, Zerstörung rundum,
Verwesende Vergänglichkeit,
Schleichende Schwindsucht des Geistes.
Die Stille flüchtend vernichten wir alles,
Können sie nicht lang mehr ertragen,
Werden krank, laufen und fahren und lärmen dahin.

Leben in Angst und Besorgnis,
Prolongierter Wechsel auf die absurden Valuta.
Der Atem vergiftet, in der Luft schwebt Verderben,
Das Wasser ist Elend, die Erde verseucht:
Wir atmen, essen und trinken den langsamen Tod nur,
Sitzen am Bankett noch mit delektierendem Schmatzen.

Sind die Türen verriegelt, die Fenster vergittert,
Habt den Alarm ihr geschärfet?
Sie sind unterwegs, geht nicht hinaus in die Dämm' rung,
Nicht durch Bahnschächte, einsame Straßen!
Sie töten für Fünfer,
Weil Langeweile, das gute Fressen sie drückt,
Es Freude bereitet, uns fallen zu sehen
Im heiteren Gesellschaftsspiel.
So pulsen die Städte -
Hab Angst um Dein Kind!

Rettet Euch, wenn die Fluchtautos rasen                                                                                                                                  Mit den Söhnen der pastoren am Steuer                                                                                                                                      Und Konfirmandenmädchen mit dem Revolver                                                                                                     Gezückt neben sich.                                                                                                                                                                     Seid beruhigt!                                                                                                                                                                               Die Politrucks regeln schon den Verkehr.                                                                                                                                     Seht nicht, sprecht nicht davon,                                                                                                                                                     Verlaßt das Denken, freut Euch des Lebens!                                                                                                                                Zeigt her Eu're Füß', zeigt her Eu're Schuh',                                                                                                                                  Zeigt Eu're prallen Hintern,Autos, Bankkonten, Teneriffa, Bangkok!

Vergeßt nicht den Seelen umzuhängen
Das Eiserne Kreuz der Begierde am Bande.

Wann falten wir vor Entzücken und Andacht die Hände,
Erschauern vor den Wundern der Schönheit,
Das Gesetz des blühenden Mohns am Rande des Ackers,
Dem Ruf der Amsel vor der Mathäuspassion,
Am Grünewaldaltar, am Erechtheion der Alten Zeit,
Vor dem Aufgang der Sonne?

Vorgaben wir einst, das Paradies zu errichten
Und haben die Hölle geschaffen:
Fünftausend Kinder sterben in der Neuen Welt
Jährlich an Heroin, dreissig im Monat in Deutschland.
Die Rauschgiftverkäufer gehen in die Schulen,
In die Lehrlingsheime, die verlotterten Universitäten.
Menschlicher Müll vegetiert in den quälenden Tod.
Alle vierundzwanzig Stunden wird ein Mensch ausgeraubt,
Im Sechzigminutentakt einer ermordet.
In jedem Jahr stirbt eine Kleinstadt auf ihren Straßen.
Kinderjahre sind fünfzehntausend gierige Stunden,
Achtzehntausend Filme Mord und Gewalt
Aus zweiunddreißig Kanälen im Umschalttakt brüllend.
Öltanker verinken im Meer, verjauchen das Leben,
Atomreaktoren übersäen wie giftige Pusteln die Erde,
Machen Wettrennen hinter dem Wahnsinn.

Sagt diesmal nicht wieder,
Von alledem hättet ihr nichts gewußt!
Ihr selbst habt sie gekürt doch zur Macht,
Die Vertreter und Stimmen des Volkes.
Ignoranten seid Ihr!
Die Todesmakler salbadern Euch Unabhängigkeit vom Öl,
Rennen in die Abhängigkeit des Urans,
Machen aus Erde ein Minenfeld,
Bezahlen mit den Alibigroschen der humanitären Hilfe,
Der menschliche Fortschritt bleibt aus.

Was jammert Ihr jetzt, was fragt Ihr mich?
Bin ich der Quacksalber, den man befragt,
Wenn die Ärzte versagen?
Was sollen wir tun? Zu spät!
Hypnotisch entrückt rennt Ihr
Wie die Lemminge dem Ende entgegen.
Was gibt es zu retten, zu wahren?
Das Vaterland, die Erde, den Acker,
Die Meiler des Grauens, Märkte, Parteien,
Die Städte, Fabriken und Banken, Hehler der Unzucht?
Was ist das Vaterland - im Wintermärchen erstickt?

Heimlich und leise - Ihr merktet es nicht,
Haben sie unter die Arme genommen
Den Grünewald und Caspar D. Friedrich,
Wie bewahrenswerte Unterkiefer des Chromagnon,
Ins Museum getragen, wo sie Eure Seele aufhängten.
Jetzt setzen sie Mülleimer auf Räder,
Späte Huldigung an Appoll,
Spritzen mit Farbpistolen umher,
Nageln Holzspan an die Wand,
Selbstbildnis im Geiste.
Die große Biennale beginnt, das unglaubliche Märchen
Von des Kaisers neuen Kleidern ist Wirklichkeit geworden.
Realität von Gehirnen, unheilbar krank.
Brave Claqueure, an Nasenringen geführt.
Kein Wunder:
Seit Odysseus rettete niemand sich
Zwischen Skylla und Charybdis.

Darum verbannt alles Mitleid mit jenen,
Liebt die Verachtenden, denn sie verehren
Die Pfeile der Sehnsucht nach dem Ufer der Rettung.
Schwere Tropfen fallen aus dunklen Wolken
Und verkündigen kommenden Blitzschlag,
Selbst als Verkünder vergehend in gieriger Erde.
Verliert nicht das Mitleid, macht Platz für die Liebe.
Gott kann nur nehmen, indem er verwirft.
Das ist die Botschaft: verwerfen und lieben zugleich.
Doch Euch dirigiert Hass, Neid und Zwietracht,
Die Liebe ist machtlos geworden.

Seht Ihr die Zukunft?
Richtet weiter zugrunde,
Bis Ihr als erstorbener Planet im Weltall verirrt,
Oder erobert die Seele, lebet noch hundert Jahre in Not,
Dann kommt Jahr eins.

So oder So,

Schreien die Schwäne.

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 




powered by klack.org, dem gratis Homepage Provider

Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich
der Autor dieser Homepage. Mail an den Autor

www.My-Mining-Pool.de - der faire deutsche Mining Pool